Doch heimlich dürsten wir
16:00 min.
UA: 25.06.2015 Tonhalle Düsseldorf
Orchester der RSH Düsseldorf
Dir: Gregor A. Mayrhofer
3 Fl. (2.+3. auch. Picc) / 2 Ob / EH / 3 Cl in A(2. auch. Eb, 3. auch BCl) 3 Fg. (3. auch. Kfg)
4 Hn, 3 Tp, 2 Pos, BPos, Tb
Pk, 2 Perc (BDr, Glcksp, TamTam, Bck)
2 Hrf
Str (12/10/8/6/4)
Gedanken zu „Doch heimlich dürsten wir...“
Die große Diskrepanz zwischen höchst kultivierten Errungenschaften und der Banalität der Grausamkeit, der wir durch unsere heutigen Kommunikationsmöglichkeiten in nie vorher da gewesener Gleichzeitigkeit ausgesetzt sind, fasziniert und schockiert mich als Künstler immer wieder. Vor allem durch das Internet erleben wir sehr drastisch das Nebeneinander qualitätvoller bis banaler Unterhaltung und glücklichster bis grausamster Lebensschicksale.
Vor allem sind diese Elemente ja oft in einem komplexen Gefüge miteinander verwoben: im weltweiten politisch sozialen Spannungsfeld bedingt oft die Macht des Einen die Machtlosigkeit des Anderen. Der Reichtum der einen nährt sich durch die Armut der anderen. Für die Einen ist es ein tänzerisches Spiel um Macht, Anerkennung oder Vorteil – ein kleiner Druck auf einen Knopf – für die Anderen ist es eine „Bombe“, die über deren Schicksal entscheidet – Leben, Leid oder Tod.
Das erschreckend Wahre, das mich auch an Hesse's Gedicht nicht mehr losgelassen hat ist die Erkenntnis, dass wir Menschen ja alles Potential für ein harmonisch ausgeglichenes Leben hätten, aber es aus unerklärlichem Grund genau diese Abgründe sind, denen wir uns immer wieder, zum Teil sogar wissentlich hingeben, sowohl im Leben, als auch in der Kunst.
Vor allem in der Kunst sind ja eigentlich die meisten sowohl der Kunstschaffenden, als auch der Rezipienten an friedlicher Kommunikation, einem harmonischen und ausgeglichenem Leben interessiert. Dennoch behandeln oft genau die großen Meisterwerke egal welcher Gattung oder Epoche die leidvollen Widersprüche und hässlichen Abgründe des menschlichen Seins.
In der Musik öffnet sich uns also oft die große Frage zwischen intellektueller Kontrolliertheit und sinnlicher unkontrollierter Lust am Klangrausch, wie es Hesse in seinem Gedicht so schillernd beschreibt. In meiner Musik suche ich nach einem ambivalenten Tanz zwischen leichtem, vielleicht sogar etwas oberflächlichem Spiel, sinnlichem, fast gierigem Klangrausch und dem Abgrund, in den es uns hinein stürzen kann, niemals ganz wissend, ob es nun Spiel oder Realität ist, oder das Spiel zur Realität wird.
Hermann Hesse: (aus “Das Glasperlenspiel)
Doch heimlich dürsten wir…
Anmutig, geistig, arabeskenzart
Scheint unser Leben sich wie das von Feen
In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen,
Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.
Schönheit der Träume, holde Spielerei,
So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,
Tief unter deiner heitern Fläche glimmt
Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.
Im Leeren dreht sich, ohne Zwang und Not,
Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit,
Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit,
Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.
25.06.2015 Tonhalle Düsseldorf, Orchester der RSH Düsseldorf