Gregor A. Mayrhofer

2008

Traum und Morgengesang (baritone, violoncello, piano)

Voice (Baritone), Piano and Violoncello

22:00 Min.

UA: 14.02.2008 Hochschule für Musik und Theater München
Martin Danes, Maria Well, Gregor A. Mayrhofer

Text: Gregor A. Mayrhofer nach Franz Kafka’s Brief and den Vater

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Gregor A. Mayrhofer: Traum und Morgengesang
Nach Franz Kafka’s Brief an den Vater

Erster Traum
ein traum
ein traum
eine vision von gestern
ich weiß nicht wann es war
stehend
den blick auf den weg vor mir
sehe ich mich in nebel gehüllt
hinter mir bist Du
Du
Du
brauche sicherheit
sicherheit
halte fest an Dir
will loslassen
loslaufen
weglaufen
doch
kann nicht
zu viel
angst
doch
kann es schaffen mich loszureißen
doch
kann es schaffen mich loszureißen
werde ein seil binden
wenn es reißt
bin ich frei wie Du
bin ich stark wie Du
dann bin ich selbst
binde das seil
binde das seil an Dich
beginne zu zerren
das seil es droht zu reißen
verliere sicherheit
binde ein zweites seil an Dich
wenn es reißt
frei wie Du
stark wie Du
zerre
zerre
jemand lacht
jemand lacht
bist das Du
binde ein drittes seil
zerre
zerre
jemand lacht
Du lachst?
zerre
muss die seile lösen
zerre
Du lachst
überall seile
überall seile
bekomme keine luft
bekomme keine
keine
jemand lacht mein eigenes lachen
jemand lacht mein eigenes
mein eigenes?
so liege ich da nach atem ringend
gefangen in den eigenen seilen
weinend und lachend allein

Zweiter Traum

ein traum
ein traum
eine erinnerung von morgen
Ich weiß nicht wann es sein wird
ein großer raum
und überall spiegel
überall spiegel
überall Ich
Ich halte in meinen händen
da bist du
in meiner hand
halte Ich
Ich will beschützen
Ich
Ich will schützen
Ich will
Ich
Ich will
Ich will
Ich
ein schrecklicher laut
dein mund ist geöffnet
fühlst du dich bedroht so will Ich beschützen
Ich schließe meine hand
kein laut mehr
Ich meine es ja gut Ich will schützen
Ich schließe die hand noch fester
Ich drücke fester
Ich will schützen Ich will schützen 
Ich meine es ja gut Ich drücke noch fester
Ich meine es ja gut Ich drücke noch fester
fester Ich drücke
noch fes-
ter?
was ist passiert
du liegst da als ob
aber Ich wollte doch nur
Ich schaue auf dich
das bist nicht du
Ich erkenne
Mich
um Mich ein meer aus spiegeln
alles Ich
alles
ich

Morgengesang
 

 

“Franz Kafka’s „Brief an den Vater“, der ja wirklich als Brief, nicht als literarisches Werk gedacht war bildet in diesem Stück nicht die textliche Grundlage, sondern war die Inspirationsquelle, die mich veranlasste Text und Musik dieses dreisätzigen Liedes zu schreiben.
Zwei Träume entführen in eine Welt, die ähnlich wie oft bei Kafka Situationen voller Absurdität und gleichzeitig seltsamer Logik zu einem Bild verschmelzen lässt. Anders jedoch, als bei den meisten seiner Werke (indirekt auch bei dem Brief, der nie abgeschickt wurde) endet es bei diesem Stück nicht damit, dass man ohnmächtig einer unüberwindlichen Autorität ausgeliefert ist. Auf die Träume folgt der Morgengesang.” — Gregor A. Mayrhofer